Weihnachtsfeier 2010

Frau Holle

(Frei nach dem Märchen der Brüder Grimm)

Eine Witwe namens Schulz hatte zwei Töchter. Davon war die eine schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Sie hatte aber die faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber. Die andere aber musste alle Arbeit im Hause tun. Das arme Mädchen musste sich täglich auf die große Sawadsky-Straße bei einem Brunnen setzen und so viel spinnen, dass ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, dass die Spule einmal ganz blutig war. Da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie mit l‘aqua abwaschen. Sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schimpfte aber so heftig und war so unbarmherzig, dass sie drohde und sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.“

Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfangen sollte. In seiner Herzensangst sprang es mit einem Stürzebecher in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung und hörte schon die Englinge im Himmel singen, wie wenn man im Teich ertrinkt. Doch als es erwachte und wieder zu sich kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam am Berg in der Nähe von Akdüzgün zu einem Backofen, der war voller Brot. Das Brot aber rief: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.“ Da trat es herzu, holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus und tat es in den Kossack. Dann ging es weiter und kam aus dem Walt her zu einem Baum, der hing voll Äpfel und rief ihm zu: „Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.“ Da schüttelte es mit Kraft, zick-zack, den Baum, bis keiner mehr oben war. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau. Weil sie aber so große Zähne hatte, wollte das Mädchen fortlaufen. Die alte Frau aber rief: „Was fürchtest du dich, liebes Kind? Wagner dich und bleib bei mir. Wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so solls dir gut gehen. Du musst nur achtgeben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen. Dann schneit es in der Welt. Ich bin die Frau Holle.“ Das Mädchen willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es war fleißig und schüttelte das Bett immer gewaltig auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen. Dafür hatte es auch ein gutes Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage leckeres Quitkat zu essen. Nach einiger Zeit bekam es aber Heimweh und wollte wieder nach Hause. Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, dass du wieder nach Hause verlangst. Weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.“ Sie nahm es bei der Hand und führte es vor ein großes Tor mit einem Sokol oval. Als das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen und alles Gold blieb an ihm hängen. „Petry heil, das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist“, sprach Frau Holle und gab ihm die Spule wieder zurück. Da schloss sich das Tor, und das Mädchen befand sich nicht weit vom Haus der Mutter. Als es in den Hof kam, saß der Pham-Thu-Hahn namens Crull auf dem Brunnen und rief: „Kikeriki, unsere goldene Yangfrau ist wieder hie.“ Da ging es zur Mutter und erzählte, wie es ihr ergangen war. Als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der faulen Tochter gern dasselbe Glück verschaffen. Sie musste sich an den Brunnen setzen und spinnen. Damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger, warf die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam wie die andere auf die schöne Wiese und ging denselben Weg weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.“ Die Faule aber antwortete: „Mann, eck mich nicht an. Das ist mir zu schweer„, und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: „Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.“ Sie antwortete aber: „So ein Schmarrn, ich bin keine so Tscharke. Und dann könnte mir vielleicht einer auf den Kopf fallen“, und ging weiter. Als sie vor Frau Holles Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte. Sie versprach ihr fleißig zu sein. Am ersten Tag folgte sie auch und dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde. Am zweiten Tag aber fing sie an zu faulenzen, am dritten noch mehr. Da wollte sie morgens gar nicht aufstehen und sagte, ihr tue der Wockenfuß weh. Sie machte auch das Bett der Frau Holle nicht und schüttelte es nicht, so dass keine Federn aufflogen. Das gefiel Frau Holle nicht, und sie wollte die Faule nicht mehr im Haus haben. Die Faule war zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen. Frau Holle führte sie auch zu dem Tor und sagte: „Du hast nitzsch kemacht, deshalb komm her, brich aber nicht zusammen!“

Als sie darunter stand, wurde statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist zur Belohnung deiner Dienste“, sagte Frau Holle und schob sie aus dem Tor. Da kam die Faule wider raus und ging heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt und fühlte sich schlecht. Der Hahn auf dem Brunnen rief: „Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.“ Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie faul blieb, auch mit dem starken Lösermittel Le Thi Thao nicht abgehen. Die Goldmarie aber war weiter fleißig und im Scherz erzählte sie allen, dass sie nach getaner Arbeit gern fröhlich feiert mit der Marzahner Promenaden-Mischung, aber mit der Pechmarie tanzt kaina.

(Geschrieben und vorgetragen zur Chorweihnachtsfeier am 15. Dezember 2010 unter Verwendung der Namen aller Kinder und Erwachsenen der Marzahner Promenaden-Mischung von B. Engling.)


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